Mit seinem Anfang des Jahres erschienenen Romans „Hart auf Hart“ („The harder they come“) hat Erfolgsautor T.C. Boyle mal wieder alles andere als Wohlfühlliteratur vorgelegt. Eindrucksvoll und spannend erzählt er eine Geschichte über Gewalt und Außenseitertum, analysiert unter anderem messerscharf den Teil der US-amerikanischen Gesellschaft, in dem Waffenbesitz eine Form der Freiheit darstellt.
Sten Stensen – der Vater
Der Roman begleitet drei Protagonisten. Am Anfang lernen wir Sten Stensen kennen, der gemeinsam mit seiner Frau Carolee eine Kreuzfahrt nach Costa Rica unternimmt. Bei einem Landausflug wird die Reisegruppe von drei jungen Männern überfallen.
Der 70-Jährige Vietnam-Veteran und pensionierte Schuldirektor Stensen setzt sich instinktiv zur Wehr und tötet dabei einen der Angreifer mit bloßen Händen. Er selbst möchte dieses Erlebnis am liebsten aus seiner Erinnerung streichen, doch statt dessen wird er für diese Tat zum Helden stilisiert.
Sara – die Geliebte
Der Rest der Handlung spielt in Nord-Kalifornien, in der Nähe von Fort Bragg. Dort lernen wir die 40-Jährige Sara kennen. Sara arbeitet als Hilfslehrerin und selbständige Hufschmiedin und gerät ständig mit dem Gesetz in Konflikt, da sie als Anhängerin der „Sovereign citizens“ staatliche Autoritäten und Regeln nicht anerkennen kann.
Nachdem sie sich bei einer Kontrolle wegen Fahrens ohne Gurt komplett verweigert, wird ihr Hund in Gewahrsam genommen, da dieser der Polizistin bei der Verhaftung in die Hand gebissen hat. Als sich herausstellte, dass ihr Hund für die Zeit von einem Monat zur Quarantäne im Tierheim bleiben muss, sieht Sara keinen anderen Ausweg, als ihn selbst von dort zu befreien. Durch einen Zufall bekommt sie dabei Hilfe von einem jungen Mann, auf dem sie am Straßenrand trifft.
Adam – der Todesschütze
Bei dem Tramper, den Sara mit in die Stadt nimmt, handelt es sich um Adam Stensen, den Sohn des ehemaligen Schuldirektors. Adam ist 25 Jahre alt und schizophren. Er lebt zurückgezogen im Haus seiner Großmutter im Wald und nennt sich selbst nach seinem großen Vorbild Colter – einem Waldläufer, dessen Geschichte uns ebenso durch den ganzen Roman begleitet.
Adam verbringt die meiste Zeit im Wald, baut dort Schlafmohn an, ist selbst fast ununterbrochen betrunken und auf Drogen und geht fast ausschließlich bewaffnet aus dem Haus.
Sara und Adam – ein etwas anderes Paar
Zwischen Sara und Adam entwickelt sich eine Beziehung basierend auf Sex und dem Gefühl des gegenseitigen Verlangens. Sara ist fasziniert von Adam, kümmert sich um ihn. Adam genießt die Fürsorge, lebt jedoch weiterhin in seiner kruden Welt – eine Welt voller Feinde. Überall sieht er sie – Aliens und Chinesen, die die Macht auf der Erde übernehmen wollen. Immer tiefer versinkt er in seinen schizophren Phantasien, bis er eines Tages seine Waffen nicht mehr nur zur theoretischen Verteidigung einsetzt.
Hart bis zum bitteren Ende
Genau an diesem Punkt wandelt sich der Plot zu einem Thriller. Gespannt verfolgen wir, wie Adam beginnt, vermeintliche Feinde kaltblütig zu erschießen. Bald darauf beginnt eine gigantische Polizei-Aktion, bei der die Beamten versuchen, Adam ausfindig zu machen. Doch der kennt den Wald. Und er ist trainiert und clever und entwickelt sich zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Dieser Teil des Romans beruht auf einer wahren Begebenheit. 2013 verschanzte sich ein Ex-Soldat und Ex-Polizist in einem Waldstück in Süd-Kalifornien und beschäftigte mit seiner Guerilla-Taktik die Polizei tagelang bis er schließlich in einer Hütte verbrannte.
Hart auf Hart – Boyles Blick auf die amerikanische Gesellschaft
T.C. Boyle hat für seinen Hauptcharakter Adam eine anderes Ende gewählt. Mit Hart auf Hart gelingt es ihm, alle seine Charaktere – voll mit Schwächen und Lastern – so intensiv zum Leben zu erwecken, dass man das Gefühl bekommen kann, all diese Menschen nicht mögen zu können und trotzdem mehr von ihnen zu erfahren.
Boyle zeichnet ein Bild von Ungerechtigkeit, strenger Erziehung, dem Staat als Feindbild, Verschwörungstheorien und der Angst vor Überfremdung. Und über allem scheint wie ein Fluch die allgegenwärtige Präsenz von Waffengewalt zu schweben. Waffenbesitz als falsche Gefühl von Härte und Freiheit – und das immer mit tödlichen Folgen.
Erscheinungsdatum: 02.02.2015
400 Seiten
Hanser Verlag
Fester Einband
ISBN 978-3-446-24737-6
ePUB-Format
ISBN 978-3-446-24846-5